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29. Juni 2021Ab Januar 2023 können Ehegatten füreinander Entscheidungen treffen – aber nur im Notfall und nur in Gesundheitsfragen.
Keiner denkt gerne daran, dass er richtig krank werden könnte, einen Unfall erleidet, ins Koma fällt und dann nicht mehr in der Lage ist, seinen Willen zu äußern. Verheiratete gehen oft davon aus, dass sie in einem solchen Notfall selbstverständlich für den Ehegatten oder die Ehegattin entscheiden dürfen. Bislang war die rechtliche Situation allerdings anders:
Ehe- oder auch eingetragene Lebenspartner sind durch die Heirat nicht automatisch Vertreter des anderen. Das hat sich zum 01. Januar 2023 mit dem neuen Notvertretungsrecht in Gesundheitsfragen geändert.
Ab dem 01. Januar 2023 gilt:
Kann ein Ehegatte aufgrund von Bewusstlosigkeit oder Krankheit seine Angelegenheiten der Gesundheitsvorsorge rechtlich nicht besorgen, ist der andere Ehegatte berechtigt, für den vertretenen Ehegatten bestimmte Rechtshandlungen im Zusammenhang mit Untersuchungen, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe, wie Einwilligung in diese oder freiheitsentziehende Maßnahmen, Behandlungsverträge oder die Geltendmachung von Ansprüchen vorzunehmen. Der, demgegenüber das Vertretungsrecht ausgeübt wird, typischerweise der behandelnde Arzt, hat die Voraussetzungen des Vertretungsbedarf zu bestätigen. Der vertretende Ehegatte muss bestätigen, dass keine Ausschlussgründe vorliegen, wie Getrenntleben, Ablehnung der gesetzlichen Vertretung oder eine anders lautende Vollmacht. Der vertretene Ehegatte hat bei der Ausführung des Vertretungsrechts die Vorschriften über die Beachtlichkeit von Patientenverfügungen und Wünschen aus dem Betreuungsrecht zu beachten, § 1358 Abs. 6 BGB.
All die Dinge rund um Pflege und Gesundheit können Ehegatten im Notfall nun wirksam für den anderen regeln – auch ohne Vorsorgevollmacht.
Das Ehegattenvertretungsrecht endet automatisch, sobald der Erkrankte wieder so gesund ist, dass er selbst entscheiden kann. Auch wenn der Patient über einen längeren Zeitraum nicht handlungsfähig ist, erlischt das Vertretungsrecht spätestens nach sechs Monaten – das ist nicht verlängerbar. Sollte der Bedarf länger andauern, wäre doch eine gerichtliche Betreuerbestellung erforderlich, soweit die Erteilung einer Vorsorgevollmacht nicht möglich sein sollte.
Vor diesem Hintergrund empfiehlt sich unabhängig von dem jetzt geltenden Notvertretungsrecht für Ehepaare eine Vorsorgevollmacht und eine Patientenverfügung zu errichten. Diese bieten mehr Gestaltungsspielraum für individuelle Regelungen, auch in Bereichen, die über die Gesundheitsvorsorge hinaus gehen. Diese sind auch nicht befristet. Außerdem entlastet es eine Familie, wenn z. B. auch die erwachsenen Kinder im Notfall rechtswirksam für Vater oder Mutter entscheiden können.
Eine Vorsorgevollmacht kann jeder selbst schreiben. Empfehlenswert ist jedoch, eine Vorsorgevollmacht vor einem Notar zu errichten, der die Vorsorgevollmacht im Zentralen Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer (ZVR) registrieren kann.
Autorin: Heide Hülsemann,
Rechtsanwältin und Notarin